Vorwort
Mein erstes Kochbuch war “Das Lehrbuch der Küche” von Eugen Pauli, das ich als Lehrbuch in der Berufsschule hatte. Das war 1964, ich absolvierte gerade eine Lehre zum Koch in der Schweiz und “der Pauli” gilt heute immer noch als die Bibel der Schweizer Küche.
Der eigentliche Grundstein meiner Sammlung war jedoch “Das neue Kochbuch” von Willy Brenneisen, das ich 1967 von Tante Rosmarie und Onkel Thedi zu Weihnachten bekam. Mit meinen 20 Franken Monatslohn konnte ich mir keine Bücher leisten, daher empfand ich dieses Geschenk als sehr wertvoll.
Ebenfalls 1967 kaufte ich mein erstes Kochbuch: “Das Diätische Kochbuch mit besonderer Rücksicht für Magen-kranke” für 25,– DM in einem Antiquariat. Nach und nach bekam ich weitere Kochbücher geschenkt. Als junger Koch war mein Gehalt nicht so üppig, dass ich alles, was ich gerne gehabt hätte, selber hätte kaufen können. Speziell alte Kochbücher waren immer schon ein wenig teurer.
1978 befiel mich dann der Sammlervirus, der mich bis heute nicht mehr losgelassen hat. Ich begann, gezielt in Antiquariaten zu stöbern.
In den 80ern verfügte ich bereits über eine respektable Sammlung. Ich habe mich seither zunehmend – bis auf wenige Ausnahmen – auf Erstausgaben deutscher Kochbücher ab dem 17. Jahrhundert spezialisiert. Was faszinierte mich eigentlich so daran? – Die Rezepte alleine waren nicht der Grund. Mehr schon die Kulturhistorie; die Vorstellung, wie die Leute gelebt haben mögen. Zumindest die Schicht, die des Lesens und Schreibens kundig war. Die Frage, welche Nahrungsmittel in der Zeit, in der das jeweilige Buch erschien, verfügbar waren. Kühlmöglichkeiten, die wir heute als selbstverständlich erachten, gab es ja kaum. Seuchen und Hungersnöte lieferten mehr Raum für fantasievolle Speisen als für ihre tatsächliche Zubereitung. Kriegs- und Nachkriegszeiten, von Lebensmittelknappheit geprägt, brachten spezielle Kochbucheditionen hervor, bei denen die geschickte Ausnutzung spärlicher Ressour- cen im Fokus stand.
In den 80ern war es noch sehr mühselig, an schöne Exemplare zu kommen. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich frühmorgens ins 300 Kilometer entfernte Wien aufgebrochen bin, weil im Auktionskatalog des Dorotheums Kochbücher angeboten wurden. Nur, um dann zusehen zu müssen, wie aus den aufgerufenen 400,– Schilling schnell 1.000,– und mehr wurden – und die Auktion für den Normalsterblichen finanziell völlig aus dem Ruder lief.
Heute ist es leichter, über das Internet Angebote zu finden, Preisvergleiche anzustellen und zu reagieren. Was aber auch zu einem vollkommen durchregulierten Markt führt. Die Bücher werden immer teurer und das Angebot an echten Antiquitäten immer geringer, Schnäppchen gibt es nicht mehr.
Eine kleine, wahre Geschichte rund um das Kochbuch: Wir waren im Dezember 2010 in Wien, unter anderem auch im Dorotheum. Leider keine Auktion mit Kochbüchern. Also ging ich in das größte Antiquariat in Wien und fragte den netten, älteren Verkäufer nach alten Kochbüchern. Der schaute mich entgeistert an und fragte: “Bist' deppert, alte Kochbücher willst???”
Es stellte sich heraus: wenn ein altes Kochbuch angeliefert wird, ist es schon reserviert für vorgemerkte Kunden. Darunter sind viele Akademiker, das hat mir auch Herr Weiss bestätigt.
Herrn Weiss aus Zürich lernte ich bereits in den 70er Jahren kennen. Er ist einer der großen Kenner der gastronomischen Literatur unserer Zeit. Von ihm habe ich viele ausgefallene Bücher für meine Sammlung erworben. Seine Kataloge, die jährlich 1-2 mal erscheinen, sind hochbegehrt und dienen als Überblick und Richtschnur auf dem gesamten Markt.
Viele meiner Bücher sind seit den 80er Jahren immer noch in Kisten verstaut. Ich ließ mir eine Software anfertigen, mit der ich die Bücher katalogisieren kann und so langsam einen Überblick gewann: “Wann und von wem habe ich ein Buch gekauft?” – “Wieviel hat es gekostet?” – Die Software ist auch in der Lage, einen übersichtlichen Katalog zu drucken. Aber leider fehlt mir die Zeit, mich ausdauernd genug damit zu beschäftigen. Bis jetzt habe ich erst 650 Bücher erfasst, unzählige warten noch in ihren Kisten und Schränken.
Das ist eines der vielen Vorhaben für meinen Ruhestand. Dann – so hoffe ich – werde ich endlich die Zeit aufbringen können, jedes einzelne Buch sorgsam zu katalogisieren und zu beschreiben.
Die meisten Sammler dieses Genres (Kochbücher) möchten anonym bleiben. Ich nicht. 2009, zu meinem 60. Geburtstag, habe ich ein ex Libris ausarbeiten lassen. Zu Weihnachten und meinem Geburtstag 2010 folgte eine eigene Homepage, in der ich einen Teil meiner Sammlung veröffentliche, zum einen in der Absicht, ein Netzwerk Gleichgesinnter aufzubauen. Mein größter Wunsch dabei ist aber, dass die Sammlung nicht in die Anonymität, d.h. in die Bedeutungslosigkeit versinken möge. Sie soll als Ganzes erhalten bleiben und nicht in einzelnen Exemplaren auf irgendwelchen Flohmärkten verhökert werden.
Passau
Fritz Brogli